Bei der Einführung neuer Technolgien verlassen wir uns blind auf gesetztliche Bestimmungen, die Grenzwerte u.ä. festlegen. Aber wie realistisch sind solche Grenzwerte? Nach welchen Kriterien werden sie standardisiert? Und wie gut können sie den Menschen vor schädlichen Wirkungen der EMF (EMF = elektromagnetische Felder) schützen? 

Lesedauer: 10 Minuten


Dieser Artikel ist der vierte Teil meiner Grundlagenreihe zum Thema Elektrosmog und 5G. Die Grundlagen zu kennen, hilft uns dabei Chancen und Risiken von EMF besser einschätzen zu können.

Die fünf Teile der Grundlagenreihe im Überblick:


Spricht man das Thema Elektrosmog an, so hört man immer wieder das Argument „aber es gibt doch Grenzwerte, die überprüft werden.“ Es wird kaum jemanden verwundern, dass dieses Argument von allen offiziellen Stellen gebetsmühlenartig verkündet wird.

Aber wie realistisch sind solche Grenzwerte? Nach welchen Kriterien werden sie standardisiert? Und wie gut können sie den Menschen vor schädlichen Wirkungen der EMF schützen? 


Präzedenzfall Kernkraft

Zunächst einmal ist es wichtig zu wissen, dass bei der Einführung neuer Technologien in der Gesetzgebung nicht (!) das Vorsichtsgebot gilt. Der Präzedenzfall hierzu: die Einführung der Kernkraft in den 1960er Jahren. 

In den Strahlenschutzgesetzen wurde damals das sogenannte ALARA-Prinzip verankert, ein Akronym, dass für „a slow as reasonably achievable“ steht. Diesem Prinzip zufolge sollen die Belastungen für die Bevölkerung so gering gehalten werden, wie es aus ökonomischer Sicht, also vor allem aus Sicht des Profits von Unternehmen, vernünftig machbar ist. 

Kernkraft war, wenn alle Kosten, wie die des Katastrophenschutzes, der Lagerung und Entsorgung von Atommüll etc., einbezogen werden, mit Abstand die teuerste Form der Stromerzeugung, die es je gab. Das Märchen vom billigen Atomstrom konnte sprichwörtlich nur „herbeigerechnet“ werden, indem man sehr viele Kosten gar nicht erst erwähnte, für die der Steuerzahler später aufkommen musste. 

Das ALARA-Prinzip garantierte letztlich vor allem eines, dass nämlich die wirtschaftlichen Interessen der Energiekonzerne zumindest zum Teil bestimmen konnten, wie hoch die Strahlenbelastung der Bevölkerung sein durfte! 

Der Schweizer Ingenieur und Kernkraft-Experte Ralph Graeub hat in den Recherchen für sein exzellentes Buch „Der Petkau Effekt“ herausgefunden, dass in offiziellen Dokumenten zum ALARA-Prinzip für radioaktive Belastungen durch Kernkraft in Deutschland festgehalten wurde, dass 10 Todesfälle pro Million Einwohner pro Jahr akzeptabel seien. Das sind auf 80 Millionen Einwohner hochgerechnet 800 Tode jedes Jahr…

Abgesehen von dem soeben Gesagten, wurden die Strahlenschutzgesetze und ihre entsprechenden Grenzwerte in den 1960er Jahren auf der Basis einer (!) einzigen Studie aufgestellt. In dieser Studie wurden die Auswirkungen der Atombomben auf die Menschen in Hiroshima und Nagasaki untersucht. Interessanterweise galten dabei nur Todesfälle durch Krebs und Leukämie als Strahlenschaden. Alle Krebsfälle, die Heilung erfuhren, fielen aus der Statistik. Hinzu kommt: Erst heute wissen wir, dass Radioaktivität unzählige Krankheiten verursachen kann.

Ein weiterer großer Fehler der Grenzwertbestimmung lag darin, dass nicht zwischen einer einmaligen hohen Dosierung, mit der die Menschen in Hiroshima und Nagasaki belastet wurden und der ständigen Belastung durch niedrig dosierte Strahlung, unterschieden wurde. Wie der kanadische Atomwissenschaftler Abram Petkau 1972 nachwies, hat niedrig dosierte Strahlung auf Dauer eine schädlichere Wirkung auf die Zellmembranen als die gleiche Dosis als einmalige Belastung.


Der gesetzliche Grenzwert: ein Witz

Auch bei der sogenannten nicht ionisierenden Strahlung, also alles, was wir unter dem Begriff Elektrosmog zusammenfassen, gilt nicht das Vorsichtsprinzip. Auch hier wird die Einführung von neuen Technologien vorangetrieben, ohne, dass es realistische Prüfungen über mögliche schädliche Wirkungen gibt. 

Zuständig für Grenzwerte der elektromagnetischen Strahlung in den meisten Ländern ist die ICNIRP (Internationale Kommission für den Schutz vor nicht-ionisierender Strahlung). Die ICNIRP in Deutschland ist ein eingetragener Verein mit Sitz in München und einer Mitgliederzahl von 12 bis 14. Trotz des offiziell klingenden Namens handelt es sich einfach um einen Verein, dessen Aussagen keinerlei (!) Kontrolle unterliegen und der niemanden (!) Rechenschaft schuldet. 

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Am Beispiel der Untersuchungen von Mobiltelefonen lässt sich sehr gut nachvollziehen, wie wertlos die Aussagen der ICNIRP sind.

Zunächst einmal läßt die ICNIRP Hersteller von Mobiltelefonen die Untersuchungen oftmals selbst durchführen. Eine unabhängige Überprüfung findet in diesen Fällen nicht statt. 

Hierzu passt folgende Meldung wie die sprichwörtliche „Faust aufs Auge“: Die Schweizer Mobilfunk-Lobby „Forschungsstiftung Strom und Mobilfunkkommunikation“ wurde vom Büro für Technikfolgenabschätzung des Deutschen Bundestages mit einer Studie zu Gesundheitsgefahren der Mobilfunkstrahlung beauftragt.

In diesem Zusammenhang ebenfalls bemerkenswert: Wie „neutrale“ Institutionen wie z.B. Stiftung Warentest bzw. das Öffentlich-Rechtliche Fernsehen zum Thema „Risiko Handy“ berichten. Wie so oft, möchte ich auch an dieser Stelle noch einmal auf die Internetplattform „Diagnose Funk“ verweisen, die zentrale Anlaufstelle im deutschsprachigen Raum zum Thema EMF und 5G.


Zurück zu den Grenzwerten. Und damit zur Frage: Was wird eigentlich getestet? 


Der gesetztliche Grenzwert ignoriert alles, was tausende von Studien zur Wirkung elektromagnetischer Felder seit 1960 aussagen


Die typische Untersuchung wird an einem Modell eines menschlichen Kopfes durchgeführt, der einem 1,88m großen 90kg schweren Mann entspricht. Das kleinere Köpfe (von Frauen, Kindern, kleineren Männern mit weniger Masse) in anderer Weise Strahlung resorbieren, wird nicht berücksichtigt. Außerdem wird ausschließlich gemessen, in welchem Ausmaß das Smartphone die Flüssigkeit im Modellkopf erwärmt. Auf dieser Basis entstand der sogenannte SAR-Wert (SAR = spezifische Absorbtionsrate), der in keiner Weise berücksichtigt, dass fast alle schädlichen Wirkungen von Elektrosmog überhaupt nichts mit Erwärmung zu tun haben. Genauso gut könnte man untersuchen, ob Menschen, die neben einem Atomkraftwerk leben, öfter Fieber haben – und wenn das nicht der Fall ist, sagen, dass vom Atomkraftwerk keine gesundheitlichen Bedenken ausgehen. 

Um es in aller Deutlichkeit zu sagen: Die Fixierung auf den SAR-Wert ignoriert alles, was tausende von Studien zur Wirkung elektromagnetischer Felder seit 1960 aussagen. Einen wirklich umfassenden Überblick hierzu findet ihr auf der Seite „Diagnose Funk“. 

Hinzu kommt: Die soeben beschriebene typische Untersuchung wird an einem statischen, d.h. sich nicht bewegendem Modell durchgeführt. Das Problem: Die Strahlung erhöht sich massiv, wenn man in Bewegung ist, da ein bewegtes Ziel für die Kommunikation mit dem Sender stärkere Signale braucht. Telefoniert man im Zug oder Auto, muss die Strahlung zusätzlich einen Faradayschen Käfig durchdringen, was sie wiederum erhöht. Nichts davon wird in den Untersuchungen zum SAR-Wert berücksichtigt. 


Enthusiastischer Fortschrittsglauben ist naiv

Als die Atomkraft eingeführt wurde, galt dies als Schlüssel zur Energieversorgung für alle Zeiten. Disney produzierte den Film „Dein Freund das Atom“; ein Film für Kinder, in dem die schöne neue Welt der Kernkraft vorgestellt wurde, inklusive Kernkraftraktoren für jedes Dorf und jede Stadt. Endlagerung von Atommüll? Da wird uns schon etwas einfallen! GAUs? Werden schon nicht passieren! Strahlenschäden bei Normalbetrieb? Wer davon spricht, so Franz-Josef Strauß, ist „entweder ein Demagoge oder ein unverbesserlicher Ignorant“. 

Als die Massenproduktion von Kunststoff nach dem 2. Weltkrieg im großen Stil begann, war ebenfalls nur der kurzfristige Nutzen im Fokus von Politik und Wirtschaft. Chancen: Ja! Risiken und Nebenwirkungen: Lieber nicht. Und so kam es, wie es kommen musste: zugemüllte Meere, in denen mehr Plastik schwimmt, als Fisch, Mikroplastik in Zahnpasta, Weichmacher in Trinkflaschen und Plastikzusatzstoffe in unserem Essen. Das alles macht krank. Es macht unfruchtbar, fördert Hormonstörungen, Krebs, Diabetes, Fettleibigkeit und Herzkreislauferkrankungen.

Glaubt ihr wirklich, dass unsere heutige Gesellschaft in Bezug auf die Verführbarkeit durch neue Technologien reifer als früher uns besser in der Lage, Nutzen und mögliche Schäden abzuwägen?

Ich glaube es nicht.

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Bild: Makarios Tang auf Unsplash