Da so viele Menschen gern mehr über Selbstdisziplin wissen wollen und so viele Fragen darüber kommen, was ich konkret in meinen Seminaren dazu anbiete, möchte ich hier ausführlicher darauf eingehenn.

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In unserer modernen westlichen Gesellschaft fehlt ein gesunder Krieger-Archetyp als Orientierung oder Ideal. Nach Jahrtausenden des Patriarchats und der Verherrlichung von Gewalt und Krieg hat dieser Archetyp verständlicherweise keinen guten Ruf mehr. Dabei ist die Essenz des Krieger-Archetyps einfach die Fähigkeit, mit 100 Prozent der eigenen Kraft für die Dinge zu leben, die man selbst als sinnvoll erachtet. Mahatma Gandhi würde ich als vollendetes Beispiel dieses Archetyps ansehen. Oder Ernest Shackelton, der 1916 in der Antarktis nach dem Untergang seines Schiffs eine Rettungsaktion für seine Besatzung mit einem Ruderboot und einer Durchquerung der Insel Südgeorgien zu Fuß schaffte, von der Reinhold Messner einmal meinte, dass eine solche Leistung heutzutage nicht mehr wiederholbar sei, weil Menschen gegenwärtig in zu engen Komfortzonen leben.

Verweichlichter Wohlstandsmensch

Der moderne Mensch in der Wohlstandsgesellschaft hat die martialische Form des Kriegers zumeist hinter sich gelassen. Wir machen heute Therapie und lernen, unsere Gefühle wirklich wahrzunehmen und anzunehmen. Wir wollen empfundene innere Mängel nicht mehr mit Leistung kompensieren. All dies sind sicher ausgesprochen wertvolle Entwicklungen, aber wie so oft neigen wir Menschen dazu, von einem Extrem sehr weit ins andere zu fallen und brauchen oft lange Zeit, um eine Ausgewogenheit zwischen beiden Extremen zu finden. Die Schattenseite der Bewegung zu mehr Yin, zu mehr Sensitivität und Selbstakzeptanz, ist eine Verweichlichung. Der Mensch neigt heutzutage dazu, sich an seine inneren Stimmungen zu versklaven, wenn es darum geht, die Dinge zu tun, die sinnvoll sind.

Warum gibt es all die unzähligen Motivationsseminare? Weil Motivation eine schwankende Angelegenheit ist, wie jede Gefühlslage. Wenn man darauf hofft, sich immer motiviert zu fühlen, um z.B. Körperübungen zu machen oder Alltagsdinge zu erledigen, hofft man vergebens und wird vielleicht anfällig für Versprechungen der Pop-Psychologie, die gern suggeriert, dass man einen magischen Schalter umlegen kann und dann im Leben euphorisch von Erfolg zu Erfolg eilt.

Wahre innere Kraft

Die gute Nachricht ist die, dass unsere Kraft viel größer ist als unsere Motivation. Eltern von Babys sind immer wieder einmal überfordert, haben Schlafmangel, fühlen sich ganz sicher nicht immer danach, das Baby zu wickeln, zu füttern oder anzuziehen – sie tun es einfach. Ähnliches kennen wohl auch viele Menschen, die ihre Angehörigen pflegen. Wir können Dinge einfach tun, ohne mit unseren Stimmungen zu verhandeln. Wie wäre es, wenn diese innere Kraft nicht nur abrufbar wäre, wenn es um etwas so Wichtiges geht wie die Versorgung eines anderen Menschen? Wie wäre es, wenn wir täglich aus einem Reservoir an innerer Kraft schöpfen könnten, das nicht versiegt und nicht dem Diktat der Stimmungen unterworfen ist?

Wahre innere Kraft ist sehr real und hat nichts mit Talent oder guten Voraussetzungen im Leben zu tun.

Für mich persönlich war Disziplin in meiner Jugend ausgesprochen schwierig und vermutlich hatte ich eine besonders komplizierte, problematische psychische Basis für ein Leben ohne angezogene Handbremse. Wenn ich heute aus voller innerer Kraft schöpfen kann und einfach die Dinge tue, die in meinem Leben zu tun sind – von anspruchsvollen

Übungen zur Energiekultivierung bis zum Abwasch –, dann kann dies jeder erreichen. Da „Mangelndes Durchhaltevermögen“ oder „Zu wenig Selbstdisziplin“ inzwischen ein Hauptthema der Menschen ist, die sich an mich wenden oder meine Kurse besuchen, habe ich beschlossen, hier künftig einen Schwerpunkt in meiner Arbeit zu setzen.

Wahre innere Kraft hat zwei Komponenten:

  • Die innere Haltung, aus der heraus man das, was zu tun ist, einfach tut, das umsetzt, wovon man weiß, dass es für das eigene Leben richtig ist, ohne auf irgendwelche Ausreden der eigenen Psyche einzugehen. Der Spaß am Tun stellt sich dann als schöner Nebeneffekt von allein ein. Das Aktivieren dieser inneren Haltung werde ich in meinen Seminaren in Zukunft zu einem zentralen Punkt machen.
  • Die energetische Komponente, die Verfügbarkeit kraftvoller und ausgewogener Lebensenergie. Diese Energie kann mit verschiedenen Methoden so kultiviert werden, dass wir sensitiv und robust, kraftvoll und sanft unser Leben gestalten können und uns dabei unglaublich lebendig fühlen.

Innere Kraft nimmt uns nicht die Herausforderungen des Lebens ab. Sie versetzt uns einzig in die Lage, Herausforderungen mit vollem Herzen und ohne angezogene Handbremse anzugehen, von ihnen zu lernen, zu scheitern und Erfolge zu verbuchen, aber immer mit dem Gefühl, in diesem Augenblick voll und ganz zu leben.

Bild: Photo by Brooke Lark on Unsplash

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