Der Trend wertvolle Ziele, wie z.B. Gesundheit, Heilung und innerer Entwicklung mit einem ausschließlich minimalem Einsatz erreichen zu wollen, führt zu der zwangsläufigen Suche nach der „Ein-Klick-Lösung“. Und damit oft zu magischem Wunschdenken.

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Das Gegenteil davon ist aber auch nicht besser. Innere Disziplin mit dem Hang zu Selbstkasteiung. Wie also geht „Flow“, derjenige Zustand, in dem Dinge mit Selbstverständlichkeit, Gelassenheit und Widmung spielend erreicht werden?

Vor vielen Jahren begegnete mir auf einem Zen-Retreat ein Japaner, der ein Anhänger der Kaizen-Philosophie war, der alten japanischen Lebensauffassung, in der ein sinnerfülltes Leben in dem in Bescheidenheit und Demut verwurzelten Streben nach Harmonie und Vollendung in allen Dingen gesucht wird. Dieser Mann sagte mir: „Ihr Menschen im Westen wollt die große Liebe finden, den Menschen, mit dem wahre Liebe sofort fühlbar ist und euch dann auf ein Leben zu zweit einlassen. Wir dagegen lassen uns auf ein Leben zu zweit ein und hoffen, vor unserem Tod zu erfahren, was wahre Liebe ist. Ich habe 15 Jahre gebraucht, um es mit meiner Frau zu erfahren und das war viel schneller, als ich gehofft hatte.“

Ich wusste damals gar nicht, welche tiefgreifende Wirkung die Weisheit dieses Mannes auf mich haben sollte, denn damals war ich sicher so ein typischer Westler, der alles gerne gleich serviert bekommt. Glücklicherweise haben seine Worte über die Jahre eine tiefe Wirkung auf mich gehabt und heutzutage ist mir die Sichtweise des Kaizen wesentlich näher, als die Konsummentalität, die auch vor dem alternativen Gesundheitsmarkt nicht halt macht.

Magisches Wunschdenken

In den vergangenen Jahren ist ein Trend zu beobachten, der meiner Ansicht nach aus irrigen Ansichten über das Leben stammt und die Menschen, wenn sie ihm anhängen, weiter in den Irrtum führt. Dieser Trend zeigt sich in denjenigen, die nach Gesundheit, Heilung und innerer Entwicklung suchen, wenn sie den Anspruch stellen, dass diese wertvollen Lebensziele mit dem absoluten Minimum an Einsatz erreicht werden sollten. Durch diese Nachfrage nach dem am wenigsten herausfordernden Weg entsteht das Angebot an geheimnisvollen Methoden, Tricks und sensationellen Erfindungen, die alle unsere Energieblockaden lösen, unser Karma heilen, unsere Zellen auf Unsterblichkeit programmieren und was auch immer sonst Menschen sich wünschen.

Aber das, was man sich nicht mit einer inneren Widmung erschlossen hat, ist von flüchtigem Wesen.

Selbstkasteiung

Nun erlebe ich sehr oft, dass Menschen eine Art Disziplin aufbringen können, die mit einem inneren Druck einhergeht. Eine verinnerlichte Instanz, die man in freudianischer Terminologie wohl als ein Über-Ich bezeichnen könnte, verlangt von uns, dass wir unser Leben ändern, gute Gewohnheiten pflegen und ungute Dinge bleiben lassen. Doch die Natur von Druck beinhaltet das Erzeugen von Gegendruck. So ist es nicht verwunderlich, wenn eine Disziplin, die mit einer inneren, moralisierenden Bewertung unserer Bemühungen einhergeht, oft genug von Perioden der Selbstsabotage oder Lustlosigkeit unterbrochen wird.

Flow

Kaizen entspricht dagegen dem inneren Zustand, der heutzutage gerne als Flow bezeichnet wird. Im Flow sind wir mit voller Widmung in dem, was wir gerade tun, präsent. Es kann auch durchaus echte Anstrengung geben, aber diese geht nicht mit einem inneren Konflikt einher. Diese Art von Anstrengung belebt unsere Sinne und unseren Geist und muss nicht mit einer Dosis Dekadenz zum Ausgleich belohnt werden.

Es ist immer wieder erstaunlich zu sehen, welche Resultate unsere Bemühungen haben, wenn wir nicht auf Resultate schielen, sondern uns auf die freudige, wertfreie Widmung unseres Tuns konzentrieren.

In den Bereichen des Lebens, in denen wir nach Heilung und innerer Entwicklung streben, ist Flow entscheidend dafür, dass wir von erlernten Methoden wirklich profitieren.

Flow macht uns auch menschlicher, denn dieser gesegnete Zustand lässt sich nie durch ein Selbstbild erreichen, das von magischen und überzogenen Vorstellungen strotzt. Wir werden im Flow nicht perfekt, aber wirklich lebendig.

Bild: Adrien Ledoux on Unsplash

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