Heutzutage steht uns eine unglaubliche Flut von Informationen zur Verfügung, wenn wir uns zu Gesundheitsthemen weiterbilden wollen. Doch wie geht man mit dieser Fülle an unterschiedlichen Daten, Zahlen, Aussagen und Interpretationen um, die zu jedem Thema zu finden sind und sich oft genug widersprechen?

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Ich halte es für sehr wichtig, die ausgeprägte Veranlagung des menschlichen Geistes anzuerkennen, Ursachen für Phänomene finden zu wollen. Das führt nicht selten dazu, dass aus Korrelationen im Geist Ursachen gemacht werden, obwohl es keine gesicherten Fakten gibt, die für einen Ursache-Wirkung-Zusammenhang sprechen. So kann es leicht geschehen, dass man versucht, Krankheitsursachen zu bekämpfen, die möglicherweise gar keine sind, oder die Gesundheit durch Maßnahmen zu verbessern, die vielleicht überhaupt keinen Effekt haben. Dabei wird die Verwechslung von Korrelation und Ursache auch nicht selten genutzt, um in Menschen die Idee zu fördern, der Faktor X habe etwas mit ihrer Krankheit zu tun oder die Methode X sei besonders effektiv, auch wenn diese Sichtweise nicht durch gesicherte Erkenntnisse gestützt wird. Ein Beispiel hierfür ist der Umgang mit statistischen Werten. In Bezug auf statistische Auswertungen von Korrelationen gibt es die Sensitivität und die Spezifität der Daten und nur beide Faktoren gemeinsam ergeben ein vollständiges Bild.

Sensitivität und Spezifität

Was Sensitivität und Spezifität sind, mag folgendes Beispiel verdeutlichen: Fast alle männlichen Berufsbasketballspieler sind mehr als 1 Meter 90 groß. Will man also einen Zusammenhang zwischen dem Beruf des Basketballspielers und der Körpergröße ermitteln (Sensitivität), kommt man auf eine beeindruckende Korrelation. Aber wenn man nun daraus umgekehrt schließen würde, dass fast alle Männer, die über 1 Meter 90 groß sind, deshalb auch professionelle Basketballspieler sind (Spezifität), ginge der statistische Schuss nach hinten los. Basketballspieler ist auch bei großen Menschen ein extrem seltener Beruf. Körperlich deutlich größer zu sein als der Durchschnitt ist kein spezifisches Merkmal für Berufsbasketballspieler.

Fragwürdige Ideen durch statistische Mängel

Hier nun ein paar Beispiele für die Folgen, die eine unzureichende Auswertung statistischer Daten für gedankliche Schlussfolgerungen bei gesundheitlichen Themen haben kann:

  • In Deutschland wird die Mammographie nach wie vor als eine zuverlässige Diagnose zur Feststellung einer Brustkrebserkrankung propagiert. Ist der Mammographie-Befund positiv, sagt ein Arzt der betreffenden Frau normalerweise, dass sie mit 80-prozentiger Wahrscheinlichkeit Brustkrebs habe. In Wirklichkeit liegt die Wahrscheinlichkeit aber nur bei 10 Prozent. Während von den tatsächlichen Brustkrebsfällen etwa 80 Prozent durch die Mammographie positiv diagnostiziert werden (Sensitivität), sind die eine positive Diagnose ausmachenden Parameter eben nicht sehr spezifisch für Brustkrebs. 90 Prozent der Frauen, denen gesagt wird, sie hätten mit dieser hohen Wahrscheinlichkeit Brustkrebs, haben ihn eben nicht. Die Mammographie ist ein sehr unzuverlässiges Verfahren, denn sie erkennt Veränderungen in der Brust, die manchmal Krebs, aber sehr viel häufiger etwas anderes bedeuten. Es wäre ungefähr so, als ob man jeden Leberfleck für Hautkrebs hielte. So wird man auch viele Hautkrebsfälle finden, die ja fast immer eine dunkle Färbung aufweisen, aber eben noch viel mehr harmlose Leberflecken, die kein Krebs sind.
  • Vor etwa 20 Jahren wurden Dr. Hulda Clarks Ideen sehr populär, die bestimmte Parasiten und Propylalkohol in der Leber für wesentliche Ursachen von Krebs ausgemacht zu haben glaubten. In Mexiko behandelte eine Krebsklinik unter Dr. Clarks Leitung Krebspatienten mit intensiven Parasitenkuren, inklusive der Anwendung der Zapper, durch die mit Strom angeblich Parasiten im Körper getötet werden sollten. Die Totalvermeidung des Kontakts mit Propylalkohol wurde ebenfalls als ganz entscheidend für Krebspatienten propagiert und generell von Dr. Clark und ihren anderen Befürwortern als wichtige Prophylaxe gegen Krebs angesehen. Eine gute Bekannte von mir verbrachte 18 Monate in dieser Klinik und sah kaum Erfolge bei den Patienten dort. Auch bei uns ist es nach einem jahrlangen Hype um Zapper und Parasitenkuren nach Dr. Clark wieder ruhiger geworden. Propylalkohol und bestimmte Mikroorganismen finden sich bei Krebskranken wie bei anderen Menschen. Können sie eventuell zu einem Krankheitsgeschehen beitragen? Dies ist möglich, aber ein wenig erfolgversprechender Ansatz in der Praxis. Propylalkohol ist ein derart häufige Zutat in Kosmetik- und Haushaltsprodukten, dass es eine tagesfüllende Aufgabe wäre, sich von dieser Substanz völlig fernzuhalten. Parasiten allein sind wahrscheinlich nicht in der Lage, Krebs zu verursachen, denn Krebs war in den hygienisch sehr rückständigen Zeiten des 19. Jahrhunderts in Europa eine so seltene Krankheit, dass sie nicht einmal im Medizinstudium behandelt wurden. Nicht hinter jeder Korrelation bei einer Krankheit verbirgt sich also auch gleich die Ursache für diese Krankheit.
  • Der Human Papillomavirus oder HPV wird heutzutage gern als Ursache für Gebärmutterhalskrebs betrachtet, mit der entsprechenden Impfung als Lösungsvorschlag. Nun ist Gebärmutterhalskrebs eine seltenere Krebsart, die weniger als 1 Prozent der Krebserkrankungen bei Frauen ausmacht. HPV ist aber bei über 80 Prozent der sexuell aktiven Frauen nachweisbar. Offenbar kann hier von einer Ursache-Wirkung-Beziehung kaum die Rede sein. Es ist möglich, dass HPV ein Co-Faktor bei der Entstehung von Gebärmutterhalskrebs ist, aber dafür sind zudem offenbar noch ganz andere Voraussetzungen notwendig als allein die Präsenz dieses Virus. Impfungen gegen HPV als Schutz vor Gebärmutterhalskrebs zu propagieren ist auch in der Schulmedizin unter Impfbefürwortern umstritten.

Bild: Photo by Alex Block on Unsplash

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